Pressestimmen über ellaH e.V.

Hepta - acoustic mouvement concert


Kategorie F29

Tanztheater ellaH e.V. - Hildesheimer Allgemeine Zeitung


LegoLeben

Tanztheater ellaH e.V. - Mitteldeutsche Zeitung

Spuren

Das Tanztheater ellaH mit einem mutigen Experiment zwischen Neuer Musik und Zeitgenössischem Tanz

Im sattbraunen Rindenmulch kauern drei Tänzerinnen, klein und rund liegen sie auf dem Boden der Bühne. Daneben schlägt der Komponist und Musiker Aristides Strongylis einen Ton auf seinem Klavier an. Der Ton steht im Raum und nichts passiert. Strongylis wuchtet das auf Rollen befestigte Klavier über den knöchelhohen Mulch auf die Bühne. Er beginnt mit seinem Klavierstück “Die sieben offenen Chakren des Dionysos”. Diesmal reagieren die Tänzerinnen. Angezogen von der Musik robben sie über den Boden, bis sie am Ursprung der Musik, dem Komponisten am Klavier, angekommen sind.

Aufeinandertreffen von Neuer Musik und Zeitgenössischem Tanz
Die Uraufführung von “Hepta”, einem “acoustic movement concert” in der Theatrale Halle, ist ein Experiment, bei dem sich Neue Musik und Zeitgenössischer Tanz live auf der Bühne begegnen. Annett Paschke, Choreographin des Stücks, erläutert zu dieser interaktiven Koproduktion zwischen dem Tanztheater ellaH und dem Komponisten Aristides Strongylis: “Früher haben wir noch klassischeren Tanz gemacht. Mit unserem letzten Stück ‘Kategorie F29’ haben wir eine sehr theatrale Form ausprobiert, diesmal arbeiten wir performativer.”
Normalerweise gibt im Tanztheater der Takt der Musik auch den Takt der Aufführung vor. Bei Hepta ist dies anders. Hier agieren der Komponist und die Tänzer als gleichwertige, sich gegenseitig beeinflussende Partner miteinander. Denn der Komponist ist beileibe nicht unangreifbar. Vielmehr steht er im ständigen Austausch mit den Tänzerinnen. Meist folgen diese seiner Musik. Doch manchmal zwingen sie den Musiker zu Änderungen. Es werden sogar die Rollen getauscht. Dann steigt Strongylis von seinem erhöhten Klavierschemel und folgt der Geigenmusik von Ada Schaff.

Für den Komponisten ein ganz neuer Horizont
“Normalerweise gibt es ein fertiges Stück”, erläutert der sichtlich ausgelaugte Strongylis nach der Premiere, “aber dieses wurde freigegeben”. Strongylis, der als Komponist sonst im Publikum sitzt, wenn seine Musik gespielt wird, stand zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren wieder auf einer Bühne. “Die Zusammenarbeit mit den Tänzern war eine Herausforderung und Bereicherung zugleich. Ein neuer Horizont.” Diesen Horizont will der Komponist nun in die Vollendung der “Sieben offenen Chakren des Dionysos” einfließen lassen. Noch diesen Sommer soll sie als konzertante Version für 13 Instrumentalisten, einen Mezzosopran und einen Erzähler fertig werden. Dann wird er wieder ganz ruhig im Publikum sitzen und der Aufführung seiner Musik lauschen.

Physischer Einsatz, große tänzerische Lust
Zurück zum Anfang: Das ultraviolette Licht wirkt wie eine metaphysische Dämmerung. Langsam erwachen die drei Tänzerinnen angezogen durch das Klavierspiel und setzen ihre Körper in Bewegung. Ada und Franziska Schaff sowie in abwechselnder Besetzung Margund Weber oder Livia Makrinus tanzen mit großer Lust, physischem Einsatz und starkem emotionalen Ausdruck jedes der sieben Chakren. Dass ihnen die professionelle Tanzausbildung fehlt, die Bewegungen also nicht immer genau synchron sind, ist leicht zu verschmerzen.
Die einzelnen Chakren funktionieren wie Kapitel in einem Buch. Für jedes wechselt das Klavier seinen Platz auf der Bühne, mit jedem wird ein anderes Thema behandelt: Geburt, Liebe, Ekstase oder Tod – einmal das ganze Leben. Es geht in dem Tanzstück auch um Wege. Weiße Linien auf dem Boden; Bahnen, die in den Mulch gewühlt werden und Pfade, in die die Musik die Tänzer zwingt. Es geht darum, Spuren zu hinterlassen und seinen Weg zu finden. Häufig wird während des Tanzens der Mulch aufgewirbelt. Dann riecht es nach Wald und der Staub liegt fein wie Morgentau in der Luft. Allergiker und sensible Nasen sollten hierbei aufpassen – so manch einer hatte eine verschniefte Nase nach der Premiere.

Wege ziehen und Spuren finden
Insgesamt präsentiert das Tanztheater ellaH mit „Hepta“ ein mutiges Experiment. Das Zusammenspiel von Neuer Musik und Zeitgenössischem Tanz ergibt ein performatives Tanztheater das viel mehr ist als kulturelle Folklore. Es ist ein Stück freier Kulturarbeit, wie man es eher in Berlin, Leipzig oder Hamburg erwarten würde.


Es fehlen die Worte

Das Tanztheater “ellaH” aus Halle und das freie Theater “nordlichten” aus Hildesheim haben sich zusammengetan, um mit szenischen Mitteln zu ergründen, was dieser schwammige medizinische Terminus eigentlich umschreibt. Hierfür haben sie mit Betroffenen gesprochen, haben Erlebnisberichte gesammelt, die von Psychopharmaka-Nebenwirkungen handeln, von Therapieversuchen in psychiatrischen Kliniken und von bohrenden Entfremdungsgefühlen. […]
Aber es gibt eine andere Ebene, einen Versuch die Welt der Worte zu unterlaufen, einen Ausdruck zu finden für das Nicht-Sagbare. Denn fünf Darsteller tragen zwar Hemden, die wie Zwangsjacken auf ihrem Rücken verknotet sind, bewegen sich aber in schmerzlichen Choreographien zu der mal verzweifelten, mal euphorischen Musik von Hannes Scheffler. Das Regie-Team Annett Paschke und Matthias Spaniel findet Körperbilder für Seelenzustände. Die Tanzfiguren bleiben anfangs im Bereich der altbekannten Ausdrucksgesten, wachsen sich im Laufe der einstündigen Aufführung jedoch zu immer eindrucksvolleren Verzweiflungsbekundungen aus. Während ein gleichmäßiger Strom von dünnen schwarzen Plastikflocken auf die Bühne des theo rieselt, ergeben sich Verdichtungen der Schutzlosigkeit. […]
Dieses Tanztheater kann dem Phänomen psychischer Erkrankungen keine fassbaren Erkenntnisse abringen, schafft aber doch tiefe, eindringliche Ausdrucksmomente. Vielleicht will dieses Stück genau das: Der Unerreichbarkeit der Kranken einen Referenz erweisen. Es fehlen die Worte, es fehlt auch der Trost. Aber da ist die Bewegung, die Musik, die mitreißt, die für Augenblicke Halt schafft und Verbindung. Die Gefangenen werden nicht befreit. Wir aber werden berührt.


Es herrscht nichts, als das nichts

Zur Uraufführung von “Kategorie F_29” des Tanztheater ellaH und freien theaters nordlichten im neuen theater Halle

Als sich die englische Dramatikerin Sarah Kane vor 10 Jahren im Alter von nur 28 Jahren erhängte, hatte sie kurz zuvor das letzte Manuskript ihrem Verleger übergeben. “4.48 Psychose” – Aufzeichnungen und Fragmente über die Klarheit im Wahn, die morgendlichen Stunden ab 4.48h. Es sind Teile dieser autobiographischen Skizzen und Berichte anderer Betroffener, die das freie theater nordlichten (Hildesheim) und das Tanztheater ellaH (Halle) gemeinsam als Inspiration für ihre Inszenierung “Kategorie F_29” genommen haben.
Hinter dem zwar transparent und doch schleierig wirkenden Vorhang sind zunächst nur die Konturen einer tanzenden Frau erkennbar. Noch tanzt das ICH allein, noch ist es ganz. Im Verlaufe des Abends aber zerfällt es in Gedanken, Bewegungen, Emotionen. Es dauert nicht lang, schon haben sich die anderen vier im ICH eingenistet, mal chorisch tanzend oder sprechend als kollektives Bewusstsein, mal einzeln brechend und hervorhebend. Es sind auch diese vier Teilpersönlichkeiten, die kurz Klarheit schaffen, indem sie den Vorhang herunterreißen und den Blick frei geben. Obwohl die Protagonistin sie zu diesem Zeitpunkt noch wie ihre eigenen Bewusstseinsmarionetten zu steuern scheint, ist der Auflösungsprozess nicht mehr zu bremsen. Das pathologische Moment wird immer durchsichtiger, wenn Szenen aus dem Therapiealltag auftauchen, verschiedenste Medikamente und ihre Dosierungen besprochen werden und die Neonröhren im Gegenlicht diese Krankenhaussterilität bezeugen (Licht: Christian Meinke). Die fünf DarstellerInnen scheinen in ihren Körpern gefangen: Getriebene, deren Ruhelosigkeit sich in Atemlosigkeit offenbart, die nicht aus ihren Zwangsjacken (Ausstattung: Anja Scholz) herauskönnen, die immer mehr zerfallen und eins werden mit dem permanent rieselnden Ascheregen. So geht dann das ICH schließlich aus dem letzten Licht, obwohl es nicht sterben will, das Leben aber nicht mehr erträgt.
Die beiden Regisseure Annett Paschke und Matthias Spaniel zeichnen ein sehr intimes und einfühlsames Bild der Krankheit als auch der Betroffenen, ohne sich dabei ausschließlich in Düsterkeit und Melancholie zu verlieren. Sie finden in der Symbiose von Tanz- und Sprechtheater ihre eigene Form, die der Zerrissenheit kraftvoll Ausdruck verleiht. Ein großes Lob gilt den fünf Darstellerinnen und Darstellern, die der “nicht näher bezeichneten nichtorganischen Psychose” – so der Fachterminus hinter F29 – ein Gesicht gegeben und Mut gemacht haben.


Tanztheater mit Grazie und Graffiti

“LegoLeben”: Gelungene Premiere von “ellaH”

Acht regelmäßige, dreiseitige, gerade Prismen liegen im gleißenden Scheinwerferlicht. Halb durchsichtig treten die kantigen Gebilde in den Hintergrund und lenken das Auge auf die dahinterhockenden menschlichen Körper. Auf der Bühne der Theatrale machen keine Geometrie sondern Theater – an diesem Premierenabend getanztes. “LegoLeben” heißt die impressive 50-minütige Collage von Tanzstücken, die das Tanztheater “ellaH” erstmalig vorführte.
Kann man die Problematik schrumpfender Städte tanzen? Wie sich zeigt, ja. Denn dieses ist das Anliegen von “LegoLeben”. “Detroit, Ivanovo, Manchester/Liverpool, Halle/Leipzig” liest man im Programmheft des Stückes “Symbole des Kreislaufs von Entsiedeln und Bevölkern… Entwurzeln und Beleben”. Die acht Tänzerinnen von “ellaH” bringen diese ambivalenten Zyklen nicht nur mit modernen Tanz zum Ausdruck, sondern verweben sie mit Musik und Schauspiel zu einem großen ästhetischen Ganzen. Sie sind schön, wenn sie neben  aus dem Boden schießenden Wolkenkratzern stehen, an bunten Straßenparaden teilnehmen oder Graffiti mit flüssiger Kreide malen.
Die Klänge zu denen man sich bei “ellaH” bewegt, reichen von modernen Kompositionen des freien Musikers Hannes Scheffler, über Pianomusik aus Brasilien bis zu ungarischer Zigeunerfolklore.
“LegoLeben” erzählt keine zusammenhängende Geschichte, sondern bietet dem Betrachter Bilder, an denen er seine eigene Phantasie arbeiten lassen kann. “Der Zuschauer soll in unserem Stück nachgedacht und gelächelt haben [...]” sagt die Leiterin und Choreographin von “ellaH”,  Annett Paschke.


Bastian Buchtalek 

Mai 2011


André Mumot

Hildesheimer Allgemeine Zeitung

2.11.2009


Franziska Scholze

Theater am Campus, HS Merseburg


Franziska Freiwald

Mitteldeutsche Zeitung

7.06.2006